Jacques Derridas philosophische Studie “Politiques de l’amitié” (1994) und Thomas Bernhards Erinnerungsbuch “Wittgensteins Neffe” (1982) befragen auf je eigene und gleichzeitig wahlverwandte Art und Weise die Substanz des Wortes Freundschaft in der Epoche des Überlebens. Auf dem Spiel steht dabei nicht weniger als die Sprache selbst.
Die Rede von der Freundschaft ist von Widersprüchen gezeichnet: Sie feiert die Präsenz und ist doch zumeist Trauerrede des Überlebenden. Sie oszilliert zwischen reflexiv-sachlichem und poetisch-verklärendem Schreiben. Das Wort kann nur der erheben, der den Freund überlebt hat. Überlebenstriumph (Canetti) und Überlebensschuld (Levi) treten in ein Wechselverhältnis, das Wahrheit ermöglicht und zugleich Schrecken verursacht. Das Buch, ein Grenzgang zwischen textnaher Lektüre und Essay, folgt auf induktivem Wege den Beziehungen zwischen den Schriften Bernhards und Derridas und zeigt, wie die Ambivalenzen in der Freundschaftsrede in philosophischer und literarischer Perspektive ausgearbeitet werden. Dabei wird deutlich, dass die Reflexion über die Freundschaft in der Epoche des Überlebens mit der Frage nach der Sprache einhergeht. Entbirgt sich in der Sprache das Wesen der Freundschaft oder geraten die Worte in einen Taumel, wenn sie von der Freundschaft handeln?
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